Die Günterstaler
Wiesen
Eine kleine Geschichte.
Die Wiesen waren Klosterbesitz bis zur Säkularisation des Zisterzienserinnen-Klosters Günterstal 1806. Durch die Säkularisation wurden sie sog. Domänenärarischer Besitz des Großherzogtums Baden, auf deutsch Staatsbesitz. Die Domänenverwaltung verpachtete Teile der Wiese an die Bürger der bis 1890 selbständigen, sehr armen Gemeinde Günterstal. Im unteren Teil der Breitmatte gab es eine Allmende, auf der Bürger Günterstals nach einem festgelegten Reglement landwirtschaftliche Produkte zum Eigenbedarf anbauen durften. Es gab Beauftragte für die Überwachung und Instandhaltung der Gräben, Wege und der „Vizinalstraße“ (Landstraße Freiburg - Günterstal). Die Bürger konnten für Instandhaltungsarbeiten zur Fronarbeit verpflichtet werden, die allerdings nicht mehr unentgeltlich wie im Mittelalter, sondern gegen sehr geringe Bezahlung geleistet werden musste. Mit der Eingemeindung Günterstals 1890 ließen sich auch finanzkräftigere Bewohner und Unternehmer in Günterstal nieder. Während zu Zeiten der Klosterherrschaft diverse Fischzuchtteiche im Bereich der Wiesen betrieben wurden, gab es dann Eisweiher für Brauereien. Diese wurden mit Erstarken der Ausflugsgastronomie im Winter auch zum Schlittschuhlaufen benutzt. Bereits 1894 begann die Stadt Freiburg Verhandlungen mit der Großherzoglichen Domänendirektion über eine Übernahme der Wiesen, die zunächst ergebnislos verliefen. Immerhin konnte man „Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs die Entschließung vom 7. Mai 1895“ abtrotzen: Der Staat beabsichtige nicht, diese Güter zu verkaufen und werde künftige Interessen der Stadt berücksichtigen. Das Badische Vermögenssteuergesetz von 1906/10 und „ein Angebot von dritter, und zwar von solventer und ernst zu nehmender Seite (einer „Kapitalistengruppe“) auf den ganzen Domainbesitz“ erhöhte den Druck auf Verhandlungen. So kam es, dass der Stadtrat Freiburgs unter Vorsitz des OB Winterer dem Bürgerausschuss der Stadt Freiburg mit Datum vom 01.12.1911 in einer fünfseitigen Vorlage den Kaufvertrag begründete und zur Genehmigung vorlegte, der zwischen der Großherzoglichen Forst- und Domänendirektion Karlsruhe und dem Stadtrat Freiburg am 08.11.1911 bzw. am 15.11.1911 unterzeichnet worden war. Erklärtes Ziel war es, dass vor allem der Charakter als Wiesental für alle Zeiten gewahrt werden müsse. ...für Freiburg ist die Erhaltung des Wiesengrundes im gesamten Tal das Entscheidende.
Der Kaufpreis betrug 1,25 Millionen M (nach Kaufkraft von 2005 etwa 5,6 Millionen €). Der Kaufpreis wurde bis 1926 gestundet und wäre danach in 5 Jahresraten zu zahlen gewesen. Die Zinsen waren an Martini (11.11.) zu zahlen und betrugen in den ersten 5 Jahren 2%, dann 3% und ab dem 10. Jahr 4%. Wie mit diesen Schulden nach Ausrufung der Weimarer Republik am 09.11.1918 verfahren wurde, war bisher nicht in Erfahrung zu bringen.
Jedenfalls blieben die Wiesen bis heute mit einer Ausnahme vor Bebauung geschützt. Nach dem Kauf des Entengartens durch die Stadt Freiburg wurde dieser zur Bebauung freigegeben. Dies galt auch für die vor der den Entengarten begrenzenden Mauer liegenden Grundstücke östlich des Wiesenwegs. Dort wurden in den Jahren 1935 bis 1936 insgesamt vier Einfamilienhäusern gebaut, die sich an die strikten Bauvorgaben des Stadtbaumeisters Joseph Schlippe zu halten hatten. Deshalb bildet die Bebauung die Wiesenwegs bis heute einen eindeutigen ästhetischen Abschluss der Wiesen an deren östlichem Ende. Im Regionalplan Südlicher Oberrhein sind die Wiesen 2016 erneut als Grünzäsur 61 verankert worden. Damit bleiben sie als beliebtes Naherholungsgebiet der gesamten Stadt Freiburg hoffentlich langfristig in ihrem Bestand gesichert.
Abb.: Ausschnitt aus dem zum Vertrag gehörigen Plan von 1911 Stadtarchiv Freiburg Dwf 40. Gelb der staatliche Besitz.
Quellen:
Breisgauer Ztg vom 11.07.1910. Bürgerausschussvorlage vom 01.12.1911.
Kaufvertrag vom 08. und 15.11.1911. Wahrscheinlich alle Stadtarchiv Freiburg
C3 299 04.
Karin Groll-Jörger: Günterstal Bd I 1806-1890 Freiburg 2013 (Lavori Verlag) und
Günterstal (Bd II) 1890-1945 Freiburg 2020 (Rombach Verlag).
Internet-Recherchen.
Wolfgang von Kalckreuth, 30.03.2021
Siehe auch Günterstäler Tor Ausgabe 1/2021